Polizisten häkeln für den guten Zweck

Polizisten häkeln für den guten Zweck

Dem Stricken und Häkeln haftet schon längst nicht mehr das Image der staubigen, altbackenen Handarbeit an. Ob im Zug, im Park oder zu Hause ganz gemütlich auf dem Sofa – die Arbeit mit der Wolle liegt ganz klar im Trend. Dass männliche Zeitgenossen zu den Nadeln greifen, findet dabei eher noch zaghaft statt. Nicht so bei Tim Pittelkow und Carsten Krämer von der Polizeihubschrauber-Staffel Düsseldorf, denn die beiden haben im Häkeln von Mützen nicht nur ein neues Hobby für sich entdeckt, sondern noch dazu beschlossen diese Leidenschaft für den guten Zweck einzusetzen.

So kam es im Mai 2012 zur Gründung der „häkelhelden“. Die Idee des Projekts ist es, selbst gehäkelte Mützen zu verkaufen und damit den Weissen Ring zu unterstützen. Und damit nicht genug, denn inzwischen sind sogar Häftlinge aus der JVA Düsseldorf mit der Fertigung der häkelhelden-Mützen betraut und werden so wieder zurück in einen geregelten Arbeitsalltag geführt.

In unserem Interview erzählt uns Tim, wie es zu der Idee kam, wie die Polizei-Kollegen reagierten und welche Mützen besonders beliebt sind.

 

Tim, wie bist du eigentlich zum Häkeln gekommen?

Tim: Vor ca. 3 Jahren wollte ich unbedingt eine dieser trendigen Häkelbeanies haben, die ich im Skiurlaub gesehen hatte. Leider habe ich aber keine gefunden, die mir gefallen hat. Ich habe mich aber daran erinnert, dass mir meine Oma als kleiner Junge häkeln beigebracht hatte. So schwer konnte das alles gar nicht sein. Also hieß es: Ab in den Wollladen und Utensilien kaufen. Die Fachbegriffe, die mir die Verkäuferin entgegen warf, nickte ich trotz erschreckender Ahnungslosigkeit gekonnt weg. Zu Hause blickte ich auf die Anleitung, die mir die Verkäuferin freundlicherweise mitgegeben hatte und merkte schnell: Ok, ich brauche Hilfe. Die Begriffe und Zeichnung erweckten in mir Gefühle eines Erstklässlers, der seine ersten Lehrbücher aufschlägt. Aber in dem Alter habe ich ja schon mal häkeln gelernt. Nur heute gibt es DIE Hilfe...das Internet. Wenige Suchbegriffe später, erklärte mir eine nette Dame auf YouTube, wie man Luftmaschen anschlägt, mit Kettmaschen Runden schließt und was Maschen verdoppeln ist. Auch wenn die Frustration oft groß war, hielt ich irgendwann meine erste eigene Mütze in den Händen. Das war schon ein tolles Gefühl und mich packte der Ehrgeiz. Was daraus geworden ist, lässt sich ja mittlerweile auch sehen.


Wie entstand daraus die Idee zu den häkelhelden?

Tim: Schnell wurde ich durch meinen Ehrgeiz und den Hang zum Perfektionismus besser und besser. So wollten auch Kollegen, die meine Handarbeitskünste bis dahin eher belächelt hatten, die ein oder andere Mütze - natürlich für ihre Frauen  - haben. Bis auf Carsten. Er wollte es auch selbst lernen, weil auch er seine eigene Mütze tragen wollte.

Da wir merkten, dass immer mehr Freunde, Familie und Kollegen heiß auf diese Mützen sind, kam die Idee eines sozialen Projekts. Warum die Mützen nicht einfach in einem Online-Shop verkaufen und mit dem Gewinn eine gute Sache unterstützen? Als Polizisten lag der Weisse Ring als Opferschutzgesellschaft sehr nahe. So haben wir mit viel Herzblut eine eigene Homepage gestaltet und ein professionelles Logo in Auftrag gegeben.

Das Medieninteresse und die Absatzzahlen haben uns mehr als überrascht. So konnten wir im ersten Jahr mit 600 Mützen doppelt so viele verkaufen als wir uns als Ziel gesetzt hatten. Unser Projekt wurde mit Beiträgen im TV bedacht und sogar in den Salzburger Nachrichten gedruckt. WDR begleitete sogar einen Workshop in einer Grundschule, die wir gerne geben, wenn es die Zeit zulässt. Es macht Spaß Kindern zu zeigen, dass man sich nicht Rollenklischees ergeben muss, sondern auch cool sein kann, wenn man diese komplett aufbricht. Und das funktioniert hervorragend! Mittlerweile sind wir sogar zu Botschaftern des Weissen Rings ernannt worden, waren für den Deutschen Engagementpreis 2014 nominiert und sind Stipendiaten bei startsocial 2014/15.

 

Wie kann man sich den Prozess vom „Mützen-Auftraggeber“ bis hin zur Spende für den „Weissen Ring“ genau vorstellen?

Tim: Bei uns hat jeder die Chance eine Mütze nach seinen Vorstellungen von Form und Farbe zu bekommen. Für unsere „Querköpfe“, so heißen die individuellen Mützen, findet man ein einfaches Onlineformular, wo man eine Mütze nach seinen Wünschen zusammenbasteln kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit mit diesem Formular ein Foto an uns zu schicken, zum Beispiel von seinem Skioutfit. Sobald uns das Formular erreicht, werden wir fleißig und erstellen dementsprechend Entwürfe, die wir dem Kunden zusenden. Normalerweise wird der Anfragende unter diesen bis zu 5 Entwürfen fündig. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, erarbeiten wir solange neue Entwürfe, bis genau der passende gefunden wurde. Bis hierhin ist alles eine unverbindliche Anfrage. Erst jetzt bekommt der Kunde einen Link, über den er seinen Querkopf bestellen kann und diesen in der Regel innerhalb von 2 Wochen erhält.

In diesen 2 Wochen wird die individuelle Mütze in der JVA Düsseldorf gefertigt und bei bestandener Qualitätsprüfung durch uns, mit ihrem einzigartigen Metalllogo versehen.

Die Mütze wird dann liebevoll verpackt und macht sich auf den Weg zu ihrem neuen Besitzer. Die 5€ Spende für den Weissen Ring sammeln wir und übergeben diese jährlich.


Wie hat die JVA Düsseldorf, wo Häftlinge ja fleißig die Häkel-Nadeln für die Fertigung der Mützen schwingen, denn anfangs auf eure Idee reagiert?

Tim: Die JVA Düsseldorf hat unser Projekt mit offenen Armen empfangen, da die dringend benötigten Arbeitstherapieplätze leider Mangelware in Deutschen JVAs sind. Durch Auftraggeber von außen wird hier den Insassen der JVA die Möglichkeit gegeben sich wieder oder erstmals in einen "normalen" Arbeitsalltag einzugliedern bzw. zurechtzufinden. Wir sind stolz darauf durch unser Projekt ca. 12 Häftlinge beschäftigen zu können. Um dies dauerhaft zu tun, muss unsere Auftragslage aber besser und stabiler werden.

Die Insassen selber haben die Handarbeit sehr offen aufgenommen und gehen in dieser kreativen Arbeit auf. Auch Ideen und Verbesserungsvorschläge kommen hin und wieder, was uns zeigt, dass sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren und beschäftigen. Wir sind selbstverständlich froh über diese Entwicklung und nehmen diese Impulse gerne auf. Durch den sozialen Aspekt unseres Projekts mit dem Opferschutz, erwecken wir auch einen Wiedergutmachungsgedanken und hoffen so aktiv mit an der Resozialisierung der Häftlinge mitzuwirken.

 

Wie gestaltet sich ansonsten das Feedback auf die häkelhelden?

Tim: Wir werden generell sehr positiv wahrgenommen. Für uns ist das Projekt häkelhelden durch die Zeit zu einem selbstverständlichen Teil von uns geworden. Aber es macht immer wieder Spaß Leuten, die unser Projekt nicht kennen, davon zu erzählen und ungläubiges Staunen zu ernten oder ehrliche Begeisterung zu erleben. Auch das andauernde Medieninteresse zeigt uns, dass unser Projekt im Trend liegt und sich mit den aktuellen vielleicht auch vergessenen Problemen in der Gesellschaft beschäftigt.

 

Wie macht ihr auf euch und eure Aktion aufmerksam?

Tim: Da wir kein Marketingbudget aufbringen können, sind wir auf Medienberichte und Mund-zu-Mund- Werbung angewiesen. Das funktioniert auch ganz gut, aber auf den richtigen Durchbruch warten wir noch.

 

Gibt es denn bei den Bestellungen besondere Mützenrenner?

Tim:Mützenrenner sind ganz klar unsere long´n´cool und unsere long´n´hot. Diese beiden Typen in der bekannten Beanieform sind nach wie vor in Mode und unterstreichen den lässigen Charakter einer Häkelmütze. Farblich muss man sagen, sind unsere Kunden selten mutig ;-). Es bleibt oft bei gedeckten Farben und Nichtfarben, wie grau - anthrazit - weiß - schwarz, kombiniert mit einer stärkeren Farbe wie türkis oder grün als Akzent. Ehrlich gesagt sieht genau das aber auch super aus und lässt sich zu vielem tragen und behält bei aller Lässigkeit auch eine Spur Eleganz.

 

Wie kann man euch abgesehen vom Mützenkauf noch unterstützen?

Tim: Unterstützen kann man uns, indem man über unser Projekt spricht. Toll wäre es, wenn sich jemand findet, der ehrenamtlich bei der Programmierung eines Mützenkonfigurators mithelfen kann oder auch ein Einzelhändler, der von seinen gewohnten Gewinnmargen absieht und unsere Mützen in sein Programm aufnimmt. Der Mützenpreis deckt nämlich fast genau unsere eigenen Ausgaben und lässt keinen Platz für das große Geschäft.
Auch Vereine oder Unternehmen, die unser Projekt unterstützen wollen, sind willkommen. Gerade arbeiten wir an einem Sponsoringkonzept, in dem man ab 20 Mützen sogar sein eigenes Logo auf die Mütze bekommt und auf unserer Homepage erscheint.

 

Was steht in diesem Jahr noch alles Spannendes für die häkelhelden an?

Tim: Mit unserem Sponsoringprogramm wollen wir direkt große Vereine und Unternehmen ansprechen. Auch der Konfigurator ist ein großes erklärtes Ziel für 2015. Spannend wird mit Sicherheit unser nächster Medienauftritt am 20. Februar beim „Kölner Treff“, wo wir eingeladen wurden um unser Projekt vorzustellen.

Außerdem hoffen wir natürlich zu den TOP 25 Stipendiaten von startsocial zu gehören und im Juni nach Berlin eingeladen zu werden. Und wer weiß, vielleicht gehören wir ja sogar zu den Preisträgern. Gewonnen haben wir jedenfalls jetzt schon, da uns das Stipendiat sehr viel gebracht hat, zum Beispiel so eine tolle Idee wie Spendenideen.de kennenlernen zu dürfen ;-).

Vielen Dank für das Interview!

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2 Kommentare
  1. Brunhild Kirsch
    8. Januar 2018 at 22:49
    antworten

    ich hab heut bei Günter Jauch von Eurer Aktion gehört und bin total begeistert, ganz prima Idee. Ich bin Renterin und häkel und stricke auch gern-Mützen, Strümpfe, Schals und würde die auch gern verkaufen und so wie Ihr 5,-€ für einen guten Zweck spenden. Was muß ich da tun???

    • Josefine
      11. Januar 2018 at 15:16
      antworten

      Liebe Brunhild, schön,dass dir die Idee von den "häkelhelden" so gut gefällt! Eine gute Adresse um eigens Hergestelltes zu verkaufen sind unterschiedliche online-Plattformen wie bspw. https://de.dawanda.com/ , dem Online-Marktplatz für Einzigartiges, Unikate und Selbstgemachtes. Eventuell ist es für dich auch attraktiv dich mit deiner Häkelidee selbstständig zu machen? Den gesammelten Betrag kannst du dann in Eigenregie an ein dir am Herzen liegendes Projekt spenden. Viel Freude bei deinem Vorhaben! Josefine für Spendenideen.de

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